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Peiner Nachrichten (19.April 2006)

 

Ulf Lahmann ist Biolandwirt,Hebamme und Hausmann

 

Ein Aussteiger: „Das einzige, was wir dazukaufen, sind Klopapier und Büromaterial“

 

VOIGTHOLZ. Biolandwirt und Imker. Bäcker und Energiewirt. Hebamme, Schafscherer und Hausmann: Ulf Lahmann aus Voigtholz ist Aussteiger. Die PN sprachen mit ihm über das Leben gestern, heute und morgen.

 

Warum haben Sie sich für die alternative Schiene entschieden?

 

Nach meinem Abitur wollte ich nach Kanada auswandern. Die Einwanderungsgenehmigung hatte ich schon und 35 000 Mark für eine Imkerexistenz gespart. Dann aber habe ich dort die durch den sauren Regen kranken Seen gesehen - und neben einem toten Teich möchte man ja nicht leben. Hier in Deutschland aber waren die kranken Bäume, da habe ich mir die Frage gestellt: Wie lebe ich mit einem guten Gewissen und trotzdem glücklich? Durch mein frühes Engagement in der Peiner Biologischen Arbeitsgemeinschaft, die Anti-Atomkraft-Bewegung und den allgemeinen Zeitgeist entschied ich mich, Öko-Landwirt zu werden.

 

Wie hat Ihre Familie darauf reagiert?

 

Die Ironie ist: Mein Vater war leitender Angestellter in der Industrie, so ein Weißer-Kragen-Beruf. Dagegen habe ich mich gewehrt. Meine drei Kinder zielen jetzt aber genau auf diese Berufe ab: Cabrio fahren, fünfmal Urlaub im Jahr - ich hoffe, sie kommen nochmal auf meine Ideen zurück. Auch die grüne Ader meiner damaligen Frau, einer Kreistagsabgeordneten der Grünen, ist nach zehn Jahren auf der Strecke geblicben. Seit 1991 bin ich alleinerziehend. Das lässt sich mit dem Beruf des Bauern aber wunderbar vereinen: Ich bin immer zu Hause, kann mich um alles kümmern. Welcher Angestellte mit drei Kindern kann das von sich sagen?

 

Wo sind für Sie die Grenzen ihrer Philosophie?

 

Ich verzichte eigentlich auf nichts, denn wer Verzicht predigt, hat schon verloren. Ein Kompromiss ist allerdings mein Mercedes 250 TD. Früher habe ich eine Vierteltonne mit dem Fahrrad bewegt - dann mit 38 Jahren, haben meine Knie nicht mehr mitgemacht, deshalb der Wagen. Er sollte schon längst mit Rapsöl laufen - die Technik ist aber noch nicht praxiserprobt. Meinen Führerschein habe ich erst vor fünf Jahren gemacht. Wenn man mal rechnet, dass jeder Bundesbürger ein Viertel seines Einkommens fürs Auto ausgibt, habe ich 20 Jahre lang durchs Radfahren meinen Hof finanziert.

 

Inwieweit sind alternative Lebensformen auch für andere tauglich?

 

Der Zwang .kommt spätestens beim Gau. wenn die fossilen Brennstoffe auf einen Schlag wegfallen. Wir versorgen uns auf unserem Hof komplett selbst. Das einzige, was wir dazukaufen, sind Klopapier, Büromaterial und das, was ich nicht selber anbauen kann, Orangen zum Beispiel. Aber auch aus denen mache ich Marmelade. Und dann das Lebensgefühl: Es ist doch geil zu wissen, dass auf meinen 5000 Quadratmetern Wiese 20 000 Hummeln fliegen - das sind alle Hummeln aus dem Nordkreis.

 

Hat es ein Biolandwirt schwer?

 

Ich habe einen generalistischen Betrieb. Das heißt, ich arbeite in bis zu zehn verschiedenen Betriebszweigen, und für jede Tätigkeit muss ich einen anderen Nachweis führen. Spezialisierte Höfe haben das Problem nicht, weil sie nur ein oder zwei Sparten bedienen. So gesehen ist es nicht einfach hier.

 

Wie sieht Ihre Welt 2020 aus?

 

Ich denke, in den nächsten 14 Jahren wird sich nicht viel ändern. Es werden immer mehr Ressourcen verschwendet - Wissen wird einfach nicht genutzt. Die Lebensphilosophie muss sich ändern. Die Menschen müssen erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben.

 

Einer der glücklich werden wollte - und ausstieg: Ulf Lahmann hier im Stall bei seinen Schweinen. PN-Foto: Bode

 

ZUR PERSON

Ulf Lahmann

> 43 Jahre alt

> Geschieden, 3 Kinder

> Führerschein mit 38

> Begann mit 16 Jahren mit biologischem Gartenbau

>Kompromiss in der Oberstufe am

Ratsgymnasium: 40 Prozent Abzug von der mündlichen Note - zwei Tage schwänzen und Arbeit als Bäcker auf Gut Adolfshof

> Mitbegründer der Partei „Die Grünen" im Kreis Peine und Mitglied der Peiner Biologischen Arbeitsgemeinschaft

> Selbstversorgender Bauer, weitgehend autark. Bäcker, Imker, Schafscherer und vieles mehr.

 

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