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Braunschweiger Zeitung, Freitag, 26. Mai 2006

 

Alltagspause: Fabrikarbeiter übt Ausstieg auf Bauernhof

 

Martin Kühner tauscht Job in Schwäbisch Hall gegen Landarbeit in Voigtholz

 

Von Sandra Sliepen

 

VOIGTHOLZ. „In meinem alten Leben fehlte mir die Luft zum Atmen", sagt Martin Kühner. Er hat seinen Fabrikjob als Werkzeugmacher in Schwäbisch Hall gegen Stallarbeit und Hühnerzucht auf dem Biolandbetrieb in Voigtholz getauscht.

 

Seit zwei Wochen greift der 39-Jährige dem Biolandwirt Ulf Lahmann unter die Arme. Er ist freiwilliger Helfer, wurde über die Vermittlungsorganisation World-Wide-Opportunities-On- Organic-Farms (WWOOF) auf Edemissen aufmerksam. „Die Arbeit mache ich umsonst", sagt Kühner. „Dafür esse ich aber doppelt so viel. Ich habe bestimmt schon zwei oder drei Kilo zugenommen“,  lacht er.

 

Der Ausbruch aus seinem Alltag in Schwäbisch Hall ist Kühner nicht schwer gefallen. „Ich war nicht mehr zufrieden. Hätte ich länger in meinem alten Trott weitergemacht, wäre ich krank geworden." Kühner ist Angestellter und bis Oktober beurlaubt. Bis dahin möchte er möglichst viel über die Landwirtschaft lernen. „Mein Ziel ist, selber einmal einen Bauernhof zu besitzen – oder zumindest ein abgelegenes Grundstück." In sein altes Leben möchte Kühner nicht zurück. „Ich hatte das Gefühl, etwas Erdiges machen zu müssen. Ich möchte nicht bloß wissen wie man ein Werkzeug zusammenbaut. sondern auch, wie ich mich selbst versorgen kann", sagt er. „Ich wollte nicht zu einem Fachidioten in meinem Job werden. Mir fehlte der Bezug zur Natur, zu Tieren und zur Landwirtschaft."

 

Um die Auszeit finanzieren zu können, hat Kühner ein Jahr lang gespart. „Auf dem Bauernhof fühle ich mich wohl. Aber ich merke auch, wie hart die Arbeit ist. Man lernt die Leistungen eines Bauern zu schätzen." Täglich steht Kühner gegen sieben Uhr auf. Seine erste Aufgabe: Die Hühner aus dem Stall scheuchen. „Zurzeit repariere ich den Schweinestall. Auf einem Hof ist grundsätzlich immer etwas kaputt", sagt er. Besonders die Arbeit mit den Tieren macht Kühner Spaß. Ich kann mittlerweile ein Huhn tragen, und der Gestank aus dem Schweinestall macht nur nichts mehr aus", sagt er. „Nur das Ausmisten geht mir auf den Keks."

 

Abends zieht Kühner sich in den Bauwagen in Lahmanns Garten zurück. Mit Ulf Lahmann und seiner Lebensgefährtin versteht sich Kühner gut. .»Abends sitzen wir zusammen und trinken Biowein. „Trotz der harten Arbeit sind Landwirte glücklicher“, meint er. Seine Lebensgefährtin und sein 17-jähriger Sohn sind in Schwäbisch Hall geblieben. „Mein Sohn meint, ich sei verrückt, dass ich meinen sicheren Job aufgegeben habe." Seine Lebensgefährtin ist stolz auf ihn. „Von der Idee, auf einem Bauernhof zu leben, muss ich sie aber erst noch überzeugen."

 

Ulf Lahmann (links) zeigt Martin Kühner Bienenwaben. PN-Foto: Bodd

 

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